Am 28.06.2025 war der Stichtag für die Wirksamkeit des BFSG. Ein Tag, der im Vorfeld in vielen Unternehmen sehr viel Betriebsamkeit, Arbeit, Aktivität und teilweise auch Unruhe und Stress bewirkt hat. Schließlich war die landläufige Vorstellung, dass ab diesem Tag z. B. alle Webseiten im B2C Kontext barrierefrei sein müssen. Wer sich nicht dran hält, muss mit teilweise recht hohen Strafzahlungen rechnen.
Jetzt, einen Monat später, schaut man zurück und fragt sich: „Blieb der große Knall aus … oder kommt der noch?“ Keine Klagewellen, keine fragwürdigen Abmahn-Versuche, nicht einmal medienwirksam inszenierte Beschwerden. Gerade vor dem Hintergrund, dass neben Betroffenen und qualifizierten Verbänden auch Mitbewerber klage-befugt sind, überrascht diese Ruhe doch ziemlich.
Also was ist da los? Haben alle Unternehmen ihre Hausaufgaben gemacht und ihre digitalen Angebote von jeglichen Barrieren befreit? Wohl kaum. Bedenkt man, dass 2024 laut einer Studie von Aktion Mensch nur ca. 1/5 der gängigsten Shops und Webseiten barrierefrei waren, kann sich das innerhalb eines halben Jahres wohl kaum merklich geändert haben.
Man kann nicht leugnen, dass sich sehr viele und vor allem große Unternehmen durch das BFSG stärker mit dem Thema Barrierefreiheit befasst haben. Und da, wo es möglich war, sind z. B. Webseiten, verschickte E-Mails, PDFs etc. barrierefrei gemacht worden.
Leider zeigt sich auch, dass sich Unternehmen statt Barrierefreiheit zu etablieren mehr darauf konzentriert haben, ihr Accessibility Statement anwaltlich so wasserdicht zu machen, dass man BFSG-technisch nur sehr erschwert angreifbar wird. Sehr schade, denn davon haben Nutzer mit Einschränkungen exakt nichts. Und es hat vermutlich mehr gekostet, als zumindest ein Mindestmaß an Barrierefreiheit zu etablieren.
Sehr bedauertlich ist hier zu erwähnen, dass viele Unternehmen sich leider erst sehr spät des Themas angenommen haben und BITV konformes Arbeiten nicht schon längst etablierte Praxis ist. Es scheint leider manchmal doch so zu sein, dass etwas erst per Gesetz erzwungen werden muss, eh Bereitschaft entsteht, dafür Zeit und Geld auszugeben.
Und dann sind da noch die Probleme Timing und Amtsschimmel. Was nützt die Einführung eines Gesetzes zum 28.06.2025, wenn die zuständige Bundesbehörde erst ab voraussichtlich September voll arbeitsfähig wird? Und wer legt eine solche Einführung auf einen Termin kurz vor die Sommerferien, wenn dann auch alle Landes- oder Regional-Behörden nur auf personeller Minimal-Besatzung unterwegs sind und Themen wie Barrierefreiheit dort dann eher unterpriorisiert sind?
Es bleibt also abzuwarten, ob sich darin, was unmittelbar aus der BFSG Einführung folgt, im 3. und 4. Quartal 2025 wirklich etwas ändert. Wünschenswert aus unserer Sicht wäre es, wenn tatsächlich medienwirksam mal zumindest ein „kleiner Knall“ passieren würde, um auch die Unternehmen aufzuwecken, die sich z. Z. noch rausreden oder die Wichtigkeit des Themas immer noch nicht erkannt haben.