Als Usability Engineer und technischer Consultant für Software- und Web-Projekte wird man früher oder später mit dem Thema digitale Barrierefreiheit konfrontiert. Genau so ging es mir vor vielen Jahren, und das Thema hat mich seitdem in so gut wie jedem Projekt mehr und mehr begleitet.
Jetzt ist es allerdings so, dass ich weder Designer noch Psychologe oder ähnliches bin. Ich komme aus der IT Branche, war lange Zeit Admin in einem Großkonzern, kann gerne als Nerd bezeichnet werden und komme daher eher aus der technischen Richtung auf Herausforderungen, weniger aus menschlicher oder empathischer Fokussierung.
Und genau aus dieser Perspektive stellt sich zu Recht die Frage, in wieweit man so spezielle menschliche Bedürfnisse, wie die Nutzbarkeit von System für Menschen mit Einschränkungen, aus der Sicht eines “Technikers” denn überhaupt beurteilen und damit potentiell verbessern könnte.
Kurz gesagt: Weder ganz noch gar nicht, weder 100 % noch 0 %, sondern irgendwo dazwischen. Klar, technische Lösungen ermöglichen bereits sehr viel und ich nutze sie intensiv. Aber am Ende muss man doch über den eigenen Schatten springen, das Technisch/Logische mal außen vor lassen und sich selbst in den Menschen hineinversetzen, für den man das System nutzbar machen möchte. Und auch da hilft einem die Technik in gewisser Weise weiter.
Ein einfaches und gut nachvollziehbares Beispiel: Die Herausforderungen für Menschen mit Sehbehinderungen, das meint allgemeine Sehschwächen (wie bei mir selbst) über Farbsehschwächen bis hin zu völliger Erblindung. Klar gibt es hier Tools, die einem die Darstellung von Webseiten z. B. ohne Farben oder mit vermindertem Kontrast erlauben. Aber der erste und einfachste Weg ist dennoch, sich mal gezielt sehr weit weg vom Monitor zu setzen oder mal den einfachen Trick des Augen Zusammenkneifens anzuwenden, um erste Probleme schnell zu erkennen. Und ich persönlich finde, dass jeder, der digitale Systeme mit Anspruch auf Barrierefreiheit erstellt, diese mindestens einmal mit geschlossenen Augen und vom Screen Reader beschrieben ausprobieren sollte.
Lange Rede kurzer Sinn: Es gibt viele technische Hilfsmittel, um digitale Barrierefreiheit zu erreichen. Manche versprechen sogar “1 Click Accessibility”, was natürlich Quatsch ist. Aber viele können ein wirklich gutes Hilfsmittel sein, um digitale Barrierefreiheit zu verbessern. Es hilft nichts, sich dabei immer nur auf die Technik zu verlassen. Manchmal muss man einfach das sein, um was es geht, nämlich Mensch und versuchen, sich in Menschen hineinzuversetzen, die nicht die vollen sensorischen oder motorischen Möglichkeiten haben.
Jetzt ist abschließend natürlich die berechtigte Frage, wie man das mit der menschlichen Perspektive denn erreicht. Für mich persönlich waren hier zwei Dinge Schlüsselerlebnisse: 1. Ich durfte mal einen vollständig blinden Software-Entwickler bei der Arbeit beobachten. 2. Ich habe freiwillig an einem Training zu „Barrierefreiheit allgemein und in der IT“ teilgenommen. Allein schon die dort erreichte Sensibilisierung für das Thema helfen mir sehr dabei, wenn es um die allgemeine oder barrierefreiheits-spezifische Verbesserung von Software, Apps oder Webseiten geht.
In diesem Sinne … Technik und Mensch … es kann so einfach sein!
Armin
Heinrich & Reuter Solutions GmbH
Auf LinkedIn hat HeiReS eine Gruppe zum Thema “Digitale Barrierefreiheit” ins Leben gerufen. Wer sich also zu dem Thema oder auch konkret diesem Artikel austauschen möchte, ist sehr herzlich eingladen”